Nachfolgeplanung: Das Erbrecht bei Trennung und Scheidung

Juli 15, 2021

15/07/2021

Nachfolgeplanung: Das Erbrecht bei Trennung und Scheidung

Trennung und Scheidung wirken sich erbrechtlich aus

Bei allem Kampf um Unterhalt, Umgangsrecht, Zugewinnausgleich etc. dürfen die Eheleute nicht vergessen, die Auswirkungen von Trennung und Scheidung auf das Erbrecht zu berücksichtigen. Meist besteht dringender Änderungsbedarf. Wird ihm nicht Rechnung getragen, treten Folgen ein, die gewiss nicht gewollt sind. Dies gilt für das gesetzliche Erbrecht ebenso wie bei Testament und Erbvertrag.

1.    Gesetzliches Ehegattenerbrecht

Im Güterstand der Zugewinngemeinschaft erbt der überlebende Ehegatte mindestens die Hälfte, wenn kein Testament vorhanden ist. Das gilt nicht nur bei harmonischem Zusammenleben, sondern auch dann, wenn die Eheleute schon getrennt leben, ohne dass sie die Scheidung beantragen würden.

Erst, wenn einer der Ehegatten einen begründeten Scheidungsantrag beim Familiengericht stellt, tritt eine – meist überraschende – Änderung ein. Nicht etwa derjenige Ehegatte, der das Scheidungsverfahren betreibt, verliert sein Erbrecht, sondern gerade der andere Ehegatte:

Beispiel:

Anton beantragt nach dreijähriger Trennung die Scheidung der Ehe von Antonia. Ein Testament gibt es nicht.

Nachdem der Scheidungsantrag zugestellt worden ist, nimmt sich Antonia aus Verzweiflung das Leben. Anton wird jetzt ihr gesetzlicher Erbe.

Abwandlung:

Nicht Antonia stirbt, sondern Anton bei einem Verkehrsunfall. Die Folge: Antonia erbt nichts und bekommt auch keinen Pflichtteil.

Erst, wenn entweder auch Antonia einen Scheidungsantrag selbst gestellt oder Antons Scheidungsantrag zugestimmt hat, verlieren beide Eheleute ihr Erbrecht – und selbstverständlich auch bei einem rechtskräftigen Scheidungsbeschluss.

Tipp:

Bei dauerhafter Trennung muss das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten durch Testament ausgeschlossen werden. Noch besser, aber meist nicht möglich: Die Eheleute verzichten in einer notariellen Trennungs- und Scheidungsvereinbarung auf ihr Erb- und Pflichtteilsrecht.

 

 

2.    Testamentarische bzw. erbvertragliche Erbfolge

Ganz genau so regelt der Gesetzgeber die Situation auch dann, wenn die Eheleute sich testamentarisch oder erbvertraglich zu Erben eingesetzt haben. Die Erbeinsetzung des anderen Ehegatten wird unwirksam, wenn der spätere Erblasser ein Scheidungsverfahren rechtshängig gemacht hat. Auch hier werden beide Erbeinsetzungen erst unwirksam, wenn auch der andere Ehegatte Scheidungsantrag stellt bzw. dem gestellten Antrag zustimmt, spätestens mit Rechtskraft der Scheidung. Übrigens: Auch die Einsetzung des/der Verlobten wird bei Auflösung der Verlobung unwirksam – dann aber gleich für beide.

 

3.    Tücken nach der Scheidung

Der unmittelbare Ausschluss des Erb- und Pflichtteilsrechts für den geschiedenen Ehegatten ist in manchen Konstellationen nicht ausreichend. Denn es gibt noch den mittelbaren Weg, wie der Ex-Ehemann bzw. die Ex-Ehefrau doch noch vom geschiedenen Partner erben kann. Dramatisch hat sich das an einem echten Fall gezeigt:

Mittelbare Erbschaft

Die Ehefrau, Inhaberin eines erfolgreichen Unternehmens, lässt sich von ihrem Ehemann scheiden und setzt ihn aus dem Unternehmen. Sie setzt ihre einzige gemeinsame Tochter als Alleinerbin ein. Nach der Scheidung unternimmt sie mit ihr eine Ferienreise nach Südafrika. Dort verunglücken Mutter und Tochter bei einer Safari. Der Jeep überschlägt sich. Zuerst stirbt die Mutter, danach die – kinderlose – Tochter, die noch kein Testament gemacht hat. Deren gesetzlicher Alleinerbe wird ihr Vater – der geschiedene Ehemann.

Wenn auch nicht in dieser dramatischen Form, ist es doch immerhin möglich, dass der geschiedene Ehemann, die geschiedene Ehefrau, über das vorverstorbene gemeinschaftliche Kind, also sozusagen „über Bande“, das Vermögen des geschiedenen Ehegatten erbt – vor allem dann, wenn das Kind minderjährig ist oder kein Testament gemacht hat.

 

4.    Geschiedenen-Testament

Diesem Risiko trägt das Geschiedenen-Testament Rechnung. Es sorgt dafür, dass, wenn schon nicht das etwa vorhandene Vermögen des Kindes, wenigstens nicht das Vermögen des Elternteils an den Ex-Ehegatten geht. Dafür kann das Kind als befreiter Vorerbe eingesetzt werden, ein Dritter als Nacherbe. Die Vorerbschaft wird auflösend bedingt angeordnet. Das Kind wird Vollerbe, sobald keine Gefahr mehr besteht, dass der andere Elternteil erbt – etwa, weil er auch verstorben ist oder auf das Erb- und Pflichtteilsrecht verzichtet hat. Stattdessen kann durch ein aufschiebend bedingtes Herausgabevermächtnis dafür gesorgt werden, dass das vom Kind geerbte Vermögen bei dessen Tod an eine dritte Person herausgegeben werden muss, also nicht beim geschiedenen Elternteil bleibt.

 

5.    Fazit

Klingt kompliziert? Ist kompliziert! Laien sollten sich an solchen „Operationen“ nicht versuchen. Geschiedene Eheleute mit gemeinschaftlichen Kindern müssen aber ein „aufgewecktes Problembewusstsein“ an den erfahrenen Erbrechtsanwalt herangetragen. Der kann Laienvorstellungen fachlich korrekt in ein belastbares Rechtsdokument gießen und das zerbrechliche juristische Schifflein unversehrt zwischen Skylla und Charybdis hindurchsteuern. Das ist seine Aufgabe.

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